Barbara Stanischeff, Jahrgang 48, verdient den Lebensunterhalt als Lehrerin,
schreibt Kurzprosa, auch lyrische, wagt sich an Dramen, auch für Damen,
arbeitet gelegentlich als Autorin beim Schweizer Schulfernsehen, erhielt 1989 für
»Seitengeschichten« einen Förderungspreis der Stadt St. Gallen, 1994 einen
Literaturpreis der SABZ für den Text »Emin«, ist seit 1992 beim Schweizerischen
Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverband, seit 1997 im Netzwerk
schreibender Frauen.
Werke
»Seitengeschichten«, lyrische Kurzprosa, 119 Seiten, Basta Verlag, Zürich
»Krebsgang«, 1991, Roman, 101 Seiten, Verlag Papillon, 5614 Sarmenstorf
»Menschen ohne Arbeit«, Anthologie mit »Emin«, Cosmos Verlag, Muri bei Bern
»Tilli-Willi und die andern«, historische Harlekinade, Basta Verlag, Zürich
»Offene Lyrikschublade«, Anthologie, Nimrod-Verlag, Zürich
»Das Credo des Balduin Seebald«, Drama, 1995
»Die Erbschaft«, Drama, 1996
»Plus minus oder Entscheidungen fürs Leben«, 2-Damen-Drama
zu beziehen in Buchhandlungen oder bei der Autorin.
Leseproben
dies:
Spucke in die Hände
und sie setzen den Fuss
auf die Arktis
entleeren den Ozean
zertreten
ein paar Robben
unter dem Nordlicht
schleifen die toten Körper
und Donner rührt
die Eisberge
zu Tränen
© Barbara Stanischeff
oder das:
Wisse
dass
deine Klänge
in meine Seele fallen
wo ich sie sammle
und sie dir immer wieder
auf die Notenlinie reihe
solange
bis du erschöpft
den Bogen
fallen lässt
© Barbara Stanischeff
aus »Seitengeschichten«:
»Drei Orangen brachte sie dem Kind, das sich lediglich den Arm gebrochen
hatte und nicht sehr litt, ins Krankenhaus. Drei wunderschöne Orangen lagen in
ihren Händen, und ihre kleinen schwarzen Augen blitzten. Sie legte die drei
Orangen liebevoll auf die weisse Decke und sagte, mit Verstand essen, Sarah
Bitzki. Wenn ihre Mama Sarah Bitzki sagte, galt es ernst.
Als eine Schwester kam, lagen die drei Orangen immer noch auf der Decke. Oh,
was für wunderschöne Orangen! Ja, man darf sie nicht essen, sie sind zu schön,
antwortete das Mädchen und schlief ein.
Es träumte, dass es die Orangen an die anderen Kinder im Zimmer verschenkte.
Diese schmatzten und waren entzückt, und der Saft tropfte auf die weissen
Decken. Am Morgen waren die drei Orangen nicht mehr da. Die Mama fragte,
ob sie geschmeckt hätten. O ja, log das Kind.«
oder dies:
»Feinfühlender Mensch, beklagte die junge Frau nach seinem Tod, war ein
armenischer Sänger, respektvoll, in Vorahnung seines nahen Weggangs, den die
Menschen auch Sterben nennen, wunderbarer Mensch hatte der jungen Frau
am Ufer des Sees, der sich zierte und zu Wellen kräuselte, Vorboten eines
gefährlichen Sturms, die »arie amorose« im schönsten Pianissimo gesungen.
Und wenn die junge Frau später am See sass und sich erinnerte, war es, als
stiege die Flut, die es in Wirklichkeit nicht gab.